Einsamkeit ist wie schlechter Kaffee: weit verbreitet, ungern zugegeben – und auf Dauer giftig. Wir reden nicht darüber, weil es wehtut. Und weil niemand freiwillig sagt: Ich fühle mich allein. Dabei wäre genau das manchmal der erste Schritt.
Auch ich setze mich seit einiger Zeit intensiver mit diesem Thema auseinander – künstlerisch, musikalisch, existenziell. Die Initialzündung kam durch ein Gespräch mit den Künstlerinnen Sophia Körber und Yun Qi Wong. Daraus entstand mein neues Werk Taumel der Trennung, inspiriert von einem Text von Ulrike Draesner. Trennung. Stille. Zerfall. Einsamkeit.
Einsamkeit ist nicht nur ein Zustand, sondern ein Symptom. Sie kann plötzlich kommen – nach einer Trennung, einem Umzug, im Alter, nach einer Krankheit, wenn sich die Welt weiterdreht und man selbst das Gefühl hat, auf Pause zu stehen. Sie kann auch schleichend wachsen, als ständiger Schatten im Alltag. Und irgendwann fragt man sich: Bin ich eigentlich noch Teil von irgendwas?
Die Auswirkungen sind brutal. Nicht nur psychisch, auch körperlich: Herzprobleme, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Immunsystem im Keller. Und gleichzeitig: Niemand sieht’s. Es gibt keine Gipsmanschette für Einsamkeit. Keine Krankschreibung. Kein Pflaster.
Aber Einsamkeit ist nicht nur Schwäche. Sie kann auch Raum schaffen – für Erkenntnis, für Kunst, für den Mut, sich selbst zuzuhören. Manche der radikalsten Werke der Musikgeschichte entstanden aus genau diesem Schwebezustand zwischen Isolation und innerem Aufruhr. Vielleicht, weil Einsamkeit eine Art Klangkammer ist, in der man endlich hört, was sonst untergeht.
Und trotzdem: Wir brauchen Resonanz. Und eine der stärksten Formen von Resonanz entsteht, wenn Menschen gemeinsam singen. Ja, ich meine das ganz konkret: Chorsingen. Nicht als Therapieangebot, sondern als radikalen Akt des Zusammenseins. Man atmet gemeinsam, hört aufeinander, formt Klang. Und plötzlich spürt man wieder: Ich bin nicht allein.
Es gibt Studien, die das wissenschaftlich untermauern – mit Oxytocin, Immunsystem, blablabla. Interessant, klar. Aber wichtiger ist das Gefühl: Ich stehe mit anderen im Raum. Ich singe. Ich werde gehört.
Einsamkeit wird nicht verschwinden, nur weil wir ein paar kluge Blogtexte darüber schreiben. Aber wenn wir aufhören, sie zu verschweigen, passiert etwas. Vielleicht kein Wunder – aber ein kleiner Riss im Beton. Vielleicht eine Stimme im Chor. Vielleicht ein leiser Taumel – nicht der Trennung, sondern der Verbindung.