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Die Verlärmung der Welt –

Misophonie für Anfänger und Fortgeschrittene

Ich oute mich: Ich bin Misophoniker. Geräusche, die andere einfach überhören, triggern bei mir sofortigen Fluchtreflex. Kaugummikauen, Ballerspiele, diese abgrundtief niederfrequente «Musik» aus Autos mit Bassboxen – da rollen sich mir die Fußnägel hoch. Und das nicht aus Dünkel, sondern aus echtem physischen Schmerz.

Lärm ist keine Petitesse. Lärm macht krank. Lärm ist die akustische Form von Umweltverschmutzung – nur ohne Filter, dafür mit Dauerbeschallung. Unsere Welt ist so laut, dass Stille fast schon wie ein technischer Defekt wirkt. Wenn es irgendwo mal ruhig ist, fragt man sich sofort: Ist was kaputt?

Und dann diese Alltagsgeräusche: Das pingende Smartphone. Der Nachbar mit dem Laubbläser um sieben Uhr morgens (an einem Sonntag!). Die offene Tür zur Küche im Schnellrestaurant mit der klappernden Pfanne und dem ewigen tschtschhh. Willkommen im globalen Tinnitus.

Aber ich will hier nicht nur jammern (obwohl das bei Lärm irgendwie dazugehört). Ich will ein Statement setzen – gegen die Verlärmung der Welt und für mehr klangliche Hygiene. Für bewussteres Hören. Für Langsamkeit. Für Pausen. Für Stille – als künstlerisches Statement, nicht als leerer Raum.

Als Komponist bin ich ständig mit Klängen beschäftigt. Aber genau deshalb weiß ich auch: Nicht jeder Klang ist Musik. Die Welt ist voll von unfreiwilligem Lärm – oft sinnlos, oft hässlich, und fast immer zu viel. Dabei beginnt Musik genau dort, wo Klang Bedeutung bekommt. Wo er geformt wird. Wo er nicht einfach nur da ist, sondern etwas erzählt.

Und manchmal – ja, ich gebe es zu – sehne ich mich nach einer Welt, in der die einzige Geräuschquelle das ist, was ich gerade schreibe. Oder der Wind. Oder ein Vogel, der nicht von einem Traktor übertönt wird.

Ich wünsche mir Städte mit weniger Motoren und mehr Atempausen. Ich wünsche mir, dass wir lernen, die Welt nicht permanent zu beschallen, sondern auch mal auszuhalten, wenn es still ist. Stille ist keine Leerstelle – sie ist ein Versprechen.

Und noch ein Gedanke: Wer ständig beschallt wird, verlernt das Zuhören. Und ohne Zuhören? Kein Miteinander. Keine Musik. Kein Leben, das den Namen verdient.

Also: Lasst uns die Langsamkeit zurückgewinnen. Und wenn schon nicht überall, dann wenigstens in unseren Köpfen. Oder in unseren Wohnungen. Oder in der Art, wie wir Musik machen, hören, denken.

Denn wer nur laut ist, hat meistens nichts zu sagen.

Michael Maria Ziffels
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