Doggerland FUR – ein klingendes Objekt zwischen Zeiten und Ziffern
Doggerland FUR ist ein klanglich wie konzeptionell hybrides Instrument – eine Komposition im Raum, eine Skulptur mit Gehör, ein Stück Vergangenheit im digitalen Jetzt. Das Projekt entstand im Rahmen meiner künstlerischen Auseinandersetzung mit der versunkenen Landmasse Doggerland, die einst Europa mit Großbritannien verband und im Laufe der Jahrtausende vom Meer verschluckt wurde. Was heute bleibt, sind Sedimente, Spuren, Geschichten – und die Frage nach der Beziehung zwischen Mensch, Natur und Technik.
Fundstück mit Funktion: Ein Resonanzkörper aus der Wirklichkeit
Im Zentrum von Doggerland FUR steht ein Klangobjekt, das aus einem Stück gefundenem Holz besteht – gezeichnet von Zeit, Witterung und Zufall. Dieses Holz ist nicht nur Träger einer poetischen Vergangenheit, sondern auch akustischer Resonanzkörper. Es wurde von mir mit mehreren Kontaktmikrofonen versehen, die seine mikroskopischen Vibrationen und Oberflächenklänge erfassen. Jedes Anschlagen, Streichen oder Kratzen wird zur klanglichen Geste – roh, direkt und organisch.
Digitale Transformation: Ein Max4Live-Patch als klangformendes Gehirn
Die über die Kontaktmikrofone gewonnenen Signale werden in Echtzeit an ein selbstprogrammiertes Max4Live-Patch übergeben. Dieses Patch bildet eine Matrix aus klangformenden Algorithmen, die das eingehende Material nicht einfach verfremden, sondern strukturell weiterdenken. Das Besondere: Die Parametersteuerung dieser Transformationen basiert vollständig auf Fibonacci-Zahlen.
Fibonacci – jene mathematische Folge, die der Natur so nah ist, dass sie sich in Blüten, Galaxien und Wachstumsprozessen wiederfindet – wird hier zur Klangarchitektur. Die Zahlensequenz moduliert Effektroutings, Filterverläufe, Delayzeiten und Granularsyntheseprozesse. Das Ergebnis: ein sich ständig wandelndes, nie exakt reproduzierbares Klangbild, das zwischen organischem Klangmaterial und algorithmischer Struktur oszilliert.
Klang – Skulptur – Performance
Doggerland FUR kann sowohl als installatives Klangobjekt präsentiert als auch performativ gespielt werden. In der Performance tritt das Objekt in Dialog mit seiner eigenen Transformation – eine Art erweitertes Schlaginstrument, das zwischen archaischem Material und futuristischer Klangästhetik vermittelt. Das Spielen ist gleichzeitig ein Erforschen: jeder Anschlag löst eine Kette von Reaktionen aus, deren Resultate überraschend, schillernd und vielschichtig sind.
Zwischen Geschichte und Gegenwart
Der Titel »FUR« verweist einerseits auf das Fell, die Hülle, das Oberflächenhafte – andererseits auf die dänische Insel Fur, auf der geologische Schichten faszinierende Zeugnisse urzeitlichen Lebens freilegen. Wie Doggerland liegt Fur zwischen den Zeiten, zwischen Land und Wasser, zwischen Vergessen und Erinnerung.
Mit Doggerland FUR entsteht so ein Werk, das sich an der Schnittstelle von Komposition, Instrumentenbau, Performance und medientechnologischer Forschung bewegt – ein klingender Reflexionsraum über Transformation, Verlust und die Möglichkeit neuer Verbindungen.