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«fur»: Im Oktogon wurde ein „multimediales Happening" von Michael Maria Ziffels uraufgeführt

EJZ

Foto: Betti Manson

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Es ist noch nicht so lange her, da ging der in Hitzacker lebende Komponist Michael Maria Ziffels auf eine intergalaktische Reise. «EU*Distance», so hieß das Raumschiff, das im September in Ziffels «multimedialem Opern-Sci-Fi-Spektakel» mit dem Titel «Distance 2123» in der St.-Johannis-Kirche startete. An Bord der von der Erde kommenden «Arche ohne Noah» fanden sich die Samen der irdischen Tiere, Pflanzen und der «klügsten u n d friedvollsten Männer». Ein halbes Jahr später geht Ziffels erneut auf eine musikalische Reise, eine Zeitreise war es diesmal, die a m Sonnabend in einer früheren und zur Kunsthalle gewordenen Kirche begann. Kein Zufall womöglich, auch dieses Mal geht es wie in «Distance 2123» um eine Schöpfungsfantasie. Die Zeitreise führt zum Anfang der Poesie in eine «langsam versinkende Steinzeit», wie es in einem Text z u dem Werk heißt, in der ein weibliches Menschenwesen sein Fell verliert und so empfänglich für die Poesie wird.

«fur», aus dem Englischen übersetzt «Fell», ist auch der Titel dieses «multimedialen Happenings und Konzerts», zu dessen uraufführung der Komponist und die Künstlerin und Vokalistin Barbara Rothamel zum Ensemble «Blandan» zusammengefunden haben. Basis und Inspiration des Werks ist das Gedicht «Doggerland» der Berliner Autorin Ulrike Draesner. «Schotter kies die mulden der gletscher zungen geschmolzen», heißt es im Text. Vertonung wäre nicht der passende, aber auch kein falscher Begriff für die Art, wie der Hitzackeraner Komponist das Sprachmaterial mit seiner Klangwelt verwebt.

Klangnetzwerke

Wie in dem Musiktheater aus dem Herbst entsteht im Oktogon, in das rund 40 Interessierte gekommen waren, auch dieses Mal eine eigentümliche Mischung aus archaischer Fantasie und State-of-the-Art-Technik: Die Musik, auf Klangcomputern live gespielt, basiert auf künstlichen Tönen und auf von den beiden musikalischen Protagonisten gesungenen oder bei Handlungen auf der Bühne etwa mittels Klangschale erzeugten Klänge. Sie verwickeln und entwickeln sich wie der Text Draesners in einer Folge von Loopings und Interferenzen untereinander, mal ins Symphonische greifend, mal wie das Trommeln auf Computern, wie es als Techno bekannt geworden ist.

Auf der Bühne, in Schwarzlicht, Blau, fahles Weiß getaucht, eine Sammlung von Gegenstände, die aus einer allerfrühesten musealen Sammlungen – Wunderkammern genannt – stammen könnte: Schädel von Mensch und Tier, Steine, Gläser und Glaskolben, Knochen, exotische Pflanzen, Kuriosa. Zwischen ihnen kniet Ziffels an den Klangerzeugern, bewegt sich Rothamel, streittanzt mal zwischen den orten des Klanggeschehens, zupft dann wieder Fäden aus Fellen wie Klotho, die Moire des griechischen Mythos, die die Lebensfäden spinnt.

Schamanen des Elektronischen

An die Wand, an der früher das Kreuz hing, wird eine Folge von Visuals (ebenfalls von Ziffels) projeziert, wogende Gewässerflächen und fluide Geistwesen, die aus Aladins Wunderlampe entfleucht sein und sich auf einen Rave verirrt haben könnten. Dazwischen immer wieder – Bilder der beiden Protagonisten, in Fell und Fellverwandtes gehüllt, die Gesichter geschminkt wie die bemalte Krieger. Masken sind im archaichen Kult Werkzeuge des Schutzes vor den Geistern. Doch welche Geister rufen diese Schamanen eines aus der Steinzeit in die elektronisierte Gegenwart transformierten magischen Kults? Kunst, so hat Ardono einmal gesagt, ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein – doch was ist «fur»? Ein Spiel? Magie in der Maske der Kunst?

Thomas Janssen
Michael Maria Ziffels
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